Eine aktuelle Studie der Universität Aalen bestätigt: Zuviel Computerspiel und Fernsehen führen nicht nur zu Bewegungsmangel und Übergewicht bei Kindern – auch der Lernerfolg in der Schule wird offensichtlich größer, je besser Wahrnehmungsvermögen und Gleichgewichtssinn beim Kind ausgebildet sind. Die Uni-Wissenschaftler empfehlen: Statt einer Spielkonsole sollten Eltern lieber ein Kinderfahrrad schenken.
Entwicklung von Hörvermögen, Sehvermögen und Gleichgewichtssinn sind wichtig
Professor Eckhard Hoffman und sein Team von der Universität Aalen haben das Hör- und Sehvermögen und den Gleichgewichtssinn von über 3000 Schülern an zehn Grundschulen unter die Lupe genommen. Das überraschende Ergebnis: je schlechter der Gleichgewichtssinn, desto schlechter die Zensuren in den Fächern Mathematik, Deutsch und Sport. Der Notenschnitt sackte im Durchschnitt um 0,6 bis 0,7 Punkte ab. „Sage mir, wie lange du auf einem Bein stehen kannst, und ich sage dir, welche Mathenote du hast“, fasst der Mediziner das Ergebnis zusammen. Auch bei Kindern, die schlecht hören oder sehen, verschlechtert sich der Notenschnitt demnach um 0,2 bis 0,3. „Das hört sich vielleicht nicht viel an, aber in der vierten Klasse entscheidet schon 0,1 Punkt darüber, ob das Kind für die Realschule oder das Gymnasium empfohlen wird“, sagt Hoffmann.
Der Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Gleichgewichtsinn ist wissenschaftlich noch nicht geklärt, doch auch Hirnforscher und Lernexperte Martin Korte von der TU Braunschweig sieht darin eine Verbindung: „Der Gleichgewichtssinn ist ein indirekter Indikator für die Wahrnehmung“, so Korte „wissenschaftlich erwiesen ist, dass Bewegungen bestimmte Regionen im Gehirn stimulieren“. Kinder, die beim Tollen auf dem Spielplatz auch mal kopfüber auf dem Spielgerüst hängen, schulen demnach das räumliche Denken.
Dass Kinder mit beeinträchtigtem Gehör oder Sehvermögen oft schlechtere Noten haben, ist schon länger bekannt. Ein Grund dafür ist unter anderem die „Tafelflucht“ – die Coolen sitzen schließlich immer hinten, denken schon ABC-Schützen. Doch wer schlecht hört und in der letzten Reihe sitzt, kann im Diktat nicht unterscheiden, ob der Lehrer nun „Maus“ oder „Haus“ gesagt hat. Wer schlecht sieht und keine Brille trägt, erkennt die neue Matheformel nicht, die gerade an der Tafel besprochen wird.
Spielekonsole geht vor Spielplatz
Hoffman war überrascht, dass zwei Drittel aller Grundschüler zumindest unter leichten Gleichgewichtsstörungen leiden. Seiner Meinung nach lassen sich die Ergebnisse auf das ganze Bundesgebiet übertragen.
„Wir haben hier einen Ansatzpunkt, der bisher vernachlässigt wurde“, sagte er. Ein Training des Gleichgewichts wäre demnach eine gute Maßnahme zur Verbesserung des Lernerfolgs und sollte schon im Kindergarten gefördert werden: „Seit Pisa sind alle darauf bedacht, dass Kinder noch mehr lernen sollen“. Stattdessen sollte die Wahrnehmungsverarbeitung erst geschult und die Kinder darauf vorbereitet werden, Input aufzunehmen.
Beide Wissenschaftler plädieren dafür, den Schulsport zu stärken. „Der Sportunterricht im grauen Schulhof kommt den Schülern oft wie ein Gefängnis vor. Dann haben sie auch keinen Spaß daran“, sagt Hoffmann. Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, deshalb sollten vor allem Erwachsene den Kindern Bewegung vorleben. Statt einer neuen Spielekonsole zum Geburtstag sollten Eltern lieber die Bewegung ihres Kindes anregen und ein Kinderfahrrad schenken.
(in Auszügen aus: Focus online / Melanie Botica / 23.01.08)
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